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Rassismus- und Antisemitismuskritik

Rassismus und Antisemitismus sind Begriffe, die in Deutschland vor allem mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem aktuellen Rechtsextremismus bzw. -populismus in Verbindung gebracht werden. Sie haben demnach 1945 ein Ende gefunden oder sind allenfalls ein Phänomen des äußersten gesellschaftlichen Randes – soweit die gängige Meinung.

Rassismus- und Antisemitismuskritik hingegen verweisen auf die Unabgeschlossenheit der kolonialen und nationalsozialistischen Vergangenheit. Diese Unabgeschlossenheit zeigt sich beispielsweise in individuellen rassistischen Wissensbeständen, die sich auf unsere Einstellungen gegenüber Anderen (Geflüchteten, Schwarzen Deutschen, Roma …) auswirken. Auch ein entsprechend problematisches institutionelles Handeln (z. B. in Schule, Sozialer Arbeit, außerschulischer Bildung …) und diskriminierende Strukturen (Normen, Gesetze …) sind nur im Kontext dieser Vergangenheit zu verstehen.

Rassismus- und Antisemitismuskritik fokussieren mit ihrer Perspektive drei miteinander verschränkte Anliegen:

  • Sie heben auf eine Erweiterung des Wissens über Rassismus und Antisemitismus ab und wollen die Menschen für mehr Differenz- und Diskriminierungssensibilität gewinnen. Rassismus- und Antisemitismuskritik unterstützen Fachkräfte und Multiplikator*innen der Jugendsozial- und -bildungsarbeit, der (politischen) Erwachsenenbildung und der Schule sowie zivilgesellschaftlich Engagierte bei der Entwicklung neuer (pädagogischer und politischer) Perspektiven. So werben sie beispielsweise für die Anerkennung von Mehrfachzughörigkeit in der durch Migration heterogener werdenden Gesellschaft. Sie sensibilisieren für Diskriminierungen, die durch institutionelles Handeln noch verschärft werden. Dementsprechend plädiert dieser Ansatz für eine fehlerfreundliche Selbstreflexivität, die die Fachkräfte und Multiplikator*innen in ihrer differenz- und diskriminierungssensiblen Haltung unterstützt.
  • Rassismus- und Antisemitismuskritik verweisen auf strukturelle Formen der Diskriminierung, beispielsweise durch unhinterfragte Normen von ‚Dazugehörig‘ und ‚Nicht-Dazugehörig‘ im herrschenden Diskurs um Flucht und Asyl. Problematische Gesetze (z. B. Asylgesetzgebung) und diskriminierende Sprache, bestehende Machtverhältnisse und Hierarchien, systematische Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationserfahrungen in Schule, Bildung und Beruf werden mit diesem kritischen Ansatz zum Thema gemacht.
  • Dabei wird auch deutlich, dass individuelle Ressentiments und Gewalt, institutionelles Handeln und diskriminierende Strukturen nicht isoliert neben einander stehen; vielmehr sind sie miteinander verwoben, bestätigen und verschärfen sich gegenseitig. Lehrer*innen, Sozialarbeitende und politische Erwachsenenbildner*innen können problematische Vorgaben in ihrem Handeln bestätigen, aber sie können ihnen auch durch vertiefte Kenntnisse um Diskriminierung und Differenz ihre Spitze nehmen, sich für mehr Gerechtigkeit stark machen und somit Sand ins Getriebe der problematischen Strukturen streuen.

Rassismus- und antisemitismuskritische Bildungs- und Beratungsangebote bestärken Fachkräfte und Multiplikator*innen in ihrer beruflichen Praxis durch ein erweitertes kognitives Wissen, durch eine klare differenzsensible Haltung und mehr Handlungssicherheit im Umgang mit den Herausforderungen der heterogenen Migrationsgesellschaft.

 

Mehr:

Anne Broden (2015): Rassismus verstehen, in: Rolf Knieper/Elisaveta Khan (Hg.): Projekt DIMENSIONEN. Der NSU und seine Auswirkungen auf die Migrationsgesellschaft. Ein Methodenreader für Multiplikator_innen in der Jugend- und Bildungsarbeit, Düsseldorf: Eigenverlag, S. 8-13, online unter: https://www.idaev.de/fileadmin/user_upload/pdf/publikationen/Reader/2015_IDA_Methoden-Reader_Projekt_Dimensionen.pdf